10 kompakt März 2020 KOMPASS Michael vor 100 Jahren am 4 Februar 1920 trat das Betriebsrätegesetz in Kraft Warum sollten wir dieses Jubiläum gebührend würdigen Weil es die Keimzelle unserer heutigen Mitbestimmung ist Anton Erkelenz Gewerkschaftsführer und einflussreicher sozialdemokratischer Politiker in der Weimarer Zeit sagte zutreffend das Betriebsrätegesetz mache Industrieunter tanen zu Industriebürgern Darum ging es Mit diesem Gesetz wurden Regelungen verankert die Betriebsräte in Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern möglich machten Die Beschäftigten erhielten erstmals Mitwirkungs und Mit bestimmungsrechte in sozialen und personellen Angelegen heiten Zudem ebnete das Betriebsrätegesetz neue Wege zur Regelung der Arbeitsbeziehungen des Verhältnisses von Beschäftigten und Arbeitgebern Das durchzusetzen war vor 100 Jahren sicher keine leichte Aufgabe Man muss bedenken dass die Zeit damals von Streiks und heftigen Unruhen geprägt war Noch am Tag als das Betriebsrätegesetz zur Abstimmung stand wurden bei einer Arbeiterkundgebung Dutzende Demonstranten vor dem Berliner Reichstag erschossen Es musste ein Weg gefunden werden die enorm angespannten Arbeits beziehungen friedlich zu organisieren Das Betriebsräte gesetz hat diesbezüglich die Weichen gestellt Hin zu einem Erfolgsmodell aus dem Errungenschaften wie unsere heutige Sozialpartnerschaft erwachsen sind Welche Auswirkungen hatte das auf die Demokratie insgesamt Zu jener Zeit war die Weimarer Republik eine zarte Pflanze Die Monarchie steckte noch immer ebenso in den Knochen und Köpfen wie der autoritäre Ungeist der Deutschland in den ersten Weltkrieg geführt hatte Bedeu tende Persönlichkeiten wie der Gewerkschafter Fritz Naph tali hatten erkannt dass die Demokratisierung Deutschlands ohne eine Demokratisierung der Wirtschaft nicht gelingen kann ohne Mitbestimmung und Teilhabe der breiten Gesell schaft am erwirtschafteten Wohlstand Anders als etwa die Kommunisten war der Sozialdemokrat Naphtali als Vor denker unserer sozialen Marktwirtschaft davon überzeugt dass der Kapitalismus dafür nicht abgeschafft werden müsste sondern bevor er gebrochen wird auch gebogen werden könne Vor allem durch eine Stärkung gewerk schaftlicher Mitgestaltung politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen im Lande aber eben auch durch kon krete Mitbestimmung in den Betrieben Denn eine Demo kratie die vor dem Werktor endet ist keine Unsere Zeit in der sich immer mehr Unternehmen aus Tarifverträgen schleichen in denen der Organisationsgrad in den Betrieben stagniert oder sogar rückläufig ist müsste demnach auf eine schwächer werdende Demokratie hindeuten In der Tat glaube ich dass unsere Demokratie gerade hart geprüft wird Und damit meine ich nicht nur offenkundige Miseren wie das parlamentarische Desaster in Thüringen Solche Vorgänge sind ja letztlich nur ein Hinweis darauf welcher Zerreißprobe die gesellschaftliche Mitte gegen wärtig ausgesetzt ist Der Anteil jener Menschen die sich nicht gehört fühlen die Sorge haben abgehängt zu werden Vor 100 Jahren am 4 Februar 1920 trat mit dem Betriebsrätegesetz ein Meilenstein der Mitbestimmung in Kraft Seither reden die Beschäftigten in den Betrieben mit Zugleich stärkte das Gesetz gewerkschaftliche Handlungsmacht und ebnete den Weg zur Sozialpartnerschaft Eine Demokratie die vor dem Foto iStockphoto Getty Images

Vorschau IG BCE Kompakt 03/2020 Seite 10
Hinweis: Dies ist eine maschinenlesbare No-Flash Ansicht.
Klicken Sie hier um zur Online-Version zu gelangen.